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Die Geschichte von VoIP

Vorbemerkung

Die Sprach-/Datenintegration ist schon seit mindestens 2 Jahrzehnten ein Thema. Früher gab es für jeden (öffentlichen) Dienst ein eigenes Netz, z.B. Fernsprechnetz, Datex-P (X.25), Datex-L, Datennetze (LAN/WAN), Btx und später das Internet. Deshalb gingen von je her schon die Bestrebungen dahin, möglichst nur ein Netz zu haben das alle Dienste integriert.
Ab Mitte der 80er Jahre hatte man eigentlich den ersten Versuch unternommen mit dem ISDN, einem Dienste-integrierenden Netz für Sprache, Daten, Video und Text. Dieser Ansatz kam aus der Sprachkommunikation und basierte auf einer Leitungsvermittlung und 64 kBit/s-Kanälen. Das konnte gar nicht so richtig funktionieren.

Mit dem Internet-Boom durch den WWW-Dienst Anfang der 90er Jahre wuchs dann auch der Wunsch, von der Datenkommunikation her Integrationsansätze zu finden. Allem voran sollte ATM die „Eier legende Wollmilchsau“ werden. Sie erreichte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre ihren Höhepunkt, schaffte aber nie den Durchbruch ins LAN bzw. zum Endgerät.
Ab 1995 gelang es dann erstmals Sprache auch über das Internet Protokoll zu übertragen, so dass Voice over IP seinen Ursprung nahm.
Die folgende Aufstellung versucht etwas die Entwicklung über die letzten 11 Jahre zu begleiten.

Im Februar 1995 fand die erste Vorstellung einer Telefonie über das Internet Protocol (IP) durch die israelischen Firma VocalTec mit ihrer Software „Internet Phone“, damals von PC-zu-PC im Halduplex-Betrieb, ähnlich einem „Walki-Talki“, statt.

Zu dieser Zeit sah man sich noch mit einer Reihe von technischen Hürden konfrontiert: Es fehlte an einheitlichen technischen Standards, so dass nur mit jeweils der gleichen Software telefoniert werden konnte und die Gesprächsqualität war schlecht, wenn es auch zur Überraschung aller funktionierte. Dies lag daran, dass die Kapazitäten im Internet noch nicht so hoch waren wie heute und die Verzögerungszeiten damit enorm. IP unterstützt nämlich gar keinen Quality of Service und arbeitet nach dem „Best Effort“-Prinzip. So gingen noch einige Sprachinformationen verloren und es klang eher nach „Sprach-Fetzen“. Vor allem aber fehlte es an breiteren Datenleitungen, denn über eine schmalbandigen Modem- oder ISDN-Anbindungen konnte man nicht wirklich gut telefonieren.

1996

Dieses Jahr war gekennzeichnet durch viele Software-Produkte, so genannte Softphones, die Internet-Telefonie á la VocalTec „nachbauen“ wollten und somit konkurrierten. Die IP-Telefonie konzentrierte sich dabei ausschließlich auf den Anwendungsfall PC-to-PC. Aber genau das war ja durch die neue Technologie VoIP ein Fortschritt. Eine Sprach-/ Datenintegration versuchte die Fachwelt schon länger, also möglichst wenige Netze für möglichst viele Dienste und Anwendungen. Aber neben ISDN, Voice over ATM oder Voice over Frame Relay erlaubte Voice over IP erstmals die Integration von Sprache und Daten bis zum Endgerät.

Im Bereich der Standardisierung hat sich die Telekommunikationsfraktion mit der International Telecommunication Union (ITU-T) an das Thema heran gewagt und mit der Rahmenempfehlung H.323, die auf etwa 50 weitere Standards referenziert, eine erste Norm für Multimedia-Kommunikation über paketorientierte Netze ohne Quality of Service verabschiedet. Gleichzeitig hat die IETF das Realtime Transport Protocol (RTP) im RFC 1889 (seit 2003 RFC 3550) entwickelt, das auch in H.323 für die Übertragung der Audiodaten Verwendung findet.

1997

Da durch die erste Norm H.323 nun die Komponenten für paketorientierte Multimedia-Kommunikation mit Terminal, Gateway, Gatekeeper und Multipoint Conferencing Unit (MCU) fest standen, zeichnete sich dieses Jahr vor allem durch die Entwicklung erstmals von H.323-Gateways aus.

Damit war es möglich, IP-Netze mit dem öffentlichen Festnetz (PSTN) zu verbinden und damit die Anwendungsfälle PC-to-Phone, Phone-to-PC oder auch Phone-to-Phone zu schaffen. Größtes Interesse war der so genannte Toll-Bypass, also die Umgehung teurer Verbindungskosten (Minutenpreise) im Fernsprechnetz für Ferngespräche.

1998

Von den vier möglichen H.323-Komponenten waren bisher zwar Endgeräte (über Software) und Gateways entwickelt, es fehlte aber noch an Telefonie-Servern, so genannte H.323-Gatekeeper, die in lokalen Lösungen u.a. die Aufgabe der Gesprächsvermittlung und Bereitstellung von Leistungsmerkmalen übernehmen. Daher war dieses Jahr durch die Entwicklung von Gatekeepern hauptsächlich gekennzeichnet.

1999

Im Bereich der Standardisierung schaltete sich nun auch die Internet Engineering Task Force (IETF) mit der Entwicklung des Session Initiation Protocols (SIP, RFC 2543) ein. Damit war für die reine Signalisierung von Voice over IP eine Konkurrenz zu H.323 von der ITU-T geschaffen und fortan analysierten und diskutierten die Berater, welches Protokoll wohl den Ziegeszug antreten wird bzw. geeigneter ist, wenngleich bisherige Produkte ausschließlich auf H.323 basierten.

Das allgemeine Interesse an Voice over IP begann allerdings zu schmelzen, traten durch die vielen Analysen doch auch erste Ernüchterungen auf. So fand in Deutschland zum 1. Januar 1998 die Liberalisierung und Deregulierung des TK-Marktes statt und die Preise für die Verbindungsminuten begannen zu schrumpfen. Damit war das Einsparpotential durch Voice over IP natürlich am schmelzen. Ebenso ist eine Komplettlösung im Unternehmen nur eine verteilte Lösung über das Datennetz hinweg, so dass viele Komponenten involviert sind und darüber die Verfügbarkeit im Vergleich zu einer reinen TK-Anlage natürlich durch LAN-Telefonie sinkt. Von 99,99% konnte man nur träumen und so wurden die TK-Anlagen noch nicht auf breiter Front abgelöst.

2000

Nachdem man erkannt hatte, dass die reine Kostenersparnis nicht der hauptsächliche Treiber für Voice over IP ist (die Umrüstung der lokalen Netze für geeignete Kapazitäten und n den verfügbaren Ports und Bandbreiten war nämlich teuer), veränderten die Marketingabteilungen ihre Argumentation und sie waren sich plötzlich breitgefächert einig, dass die neuen Möglichkeiten und Anwendungen einen Mehrwert für das Unternehmen bringen. Wenn dieser Mehrwert nicht beziffert werden kann, wird sich das Management eines Unternehmens auch nicht für die neue Technik entscheiden. Also mussten neue Anwendungen her, die man mit beispielsweise IP Call Centern oder Unified Messaging suchte.

Im Bereich der Internet-Standardisierung entwickelte sich ENUM (Telephone Number Mapping) mit dem RFC 2916 zunächst nur als Protokoll. Für Anwendungen und Dienste wurde dann im September 2002 ein Feldtest in Deutschland begonnen.

Die Hype-Kurve für Voice over IP erreichte mit diesem Jahr seinen Tiefpunkt. Dennoch gab es erste Firmen, die auf LAN-Telefonie setzten. Allerdings mit geringer Zahl an Nebenstellen.

2001

Zu diesem Zeitpunkt gab es zum Beispiel nur H.323-Telefone, aber noch keine SIP-Telefone. Die Telefone waren meist nur mit einem einzige 10 Mbit/s-Ethernet-Anschluss ausgestattet. Neben einer Steckdose für das Netzteil zur Stromversorgung benötigten diese Telefone noch einen eigenen Port am Etagen-Switch. War die Auslastung des Etagen-Switches durch die Rechneranschlüsse schon ziemlich hoch, musste erst das Datennetz erweitert und aufgerüstet werden, bevor Telefonie überhaupt integriert werden konnte. Das machte Voice over IP für Unternehmen teuer und es kam nur dort zur Geltung, wo ohnehin neue LANs gebaut wurden. Heute verfügt jedes IP Telefon über einen integrierten 2-Port-Switch und wird zwischen Etagenverteiler und Rechner einfach eingeschleift.

Lösungen bei LAN-Telefonie in Unternehmen lagen in der Größenordung bis 700 Endgeräte, größere Installationen gab es durch das Zonen-Konzept von H.323 noch nicht. Der Privatkundenmarkt war noch nicht erschlossen und so bewegte sich Voice over IP immer noch im Unternehmen, aber etwas verhalten.

2002

Das von der IETF favorisierte Session Initiation Protocol (SIP) geht mit dem RFC 3261 in die Version 2 und erfreut sich fortan wachsender Beliebtheit. Schon zwei Jahre später setzen alle VoIP-Anbieter im deutschen Markt bei Ihren Diensten auf SIP.

Im gleichen Jahr deligierte RIPE den ENUM-Zweig „9.4.e164.arpa“ an die Denic eG, welche sodann mit den Vorbereitungen für einen Feldtest startet, an dem sich mehrere Unternehmen beteiligen. Das Interesse an der Technik beginnt wieder zuzunehmen.

2003

Nach einem Startschuss im September 2002 konnte die Denic eG mit der Regulierungsbehörde (damals noch RegTP) in Deutschland ein Abkommen schließen und nahm so den Testbetrieb von ENUM (RFC 3761) auf, an dem sich zunächst rund 30 Mitglieder von Denic beteiligten, unter anderem T-Systems (http://www.enum-trial.de). Die Testphase sollte sich insgesamt bis zum Jahreswechsel 2006 hinziehen.

Ansonsten war 2003 ein schwieriges Jahr für die deutsche ITK-Branche, so dass wenig investiert wurde und Entlassungswellen drohten. Auch der Beratermarkt verlief ziemlich ruhig, obwohl die Berater- und Freiberuflerzahlen durch die vielen Entlassungen in die Höhe schnellten.

Technisch wurde mit dem STUN-Protokoll (RFC 3489) das Problem gelöst, SIP über NAT-Router zu übertragen, indem vor einem Verbindungsaufbau zunächst ein STUN-Server nach der öffentlichen IP-Adresse des NAT-Routers befragt wird.

2004

In den USA bereits recht erfolgreich, stellen für Deutschland die Jahre 2004 und 2005 den Durchbruch in Sachen Voice over IP dar: Die Hardware wird immer ausgeklügelter, immer mehr Anbieter kämpfen um den Zukunftsmarkt und die Preise sprechen für sich: Für ein paar Cent telefoniert man in die ganze Welt, netzintern bzw. mit Gesprächspartnern des eigenen VoIP-Anbieters sogar kostenlos. Ende 2004 schätzte die Regulierungsbehörde die Zahl der Teilnehmer in Deutschland auf 250.000 und spekulierte über eine Verdoppelung in 2005. Der Privatkundenmarkt wurde also erschlossen.

Getrieben wurde diese Entwicklung u.a. durch die breite Akzeptanz von Breitbandanschlüssen. Zwar spielt Deutschland auch heute (2006) noch mit einer Penetration bei DSL-Anschlüssen von 18% nur in der zweiten Hälfte in Europa, jedoch liegen Ende 2004 immerhin rund 6,5 Millionen DSL-Anschlüsse vor.
Die VoIP-Anbieter können meist ohne eigenes Netz selbst keine Ortsnetzrufnummern kaufen, so erwarben sie in einem einzigen Ortsnetz von einem Carrier Rufnummern und teilten sie bundesweit zu. Dies untersagte die Regulierungsbehörde im Oktober und forderte eine Abschaltung für alle Kunden, deren Wohnort sich nicht im Ortsnetz befindet bis zum August 2005.

Schon im April führte die Regulierungsbehörde eine umfangreiche Anhörung zum Thema Voice over IP durch, weil es ihr um die regulatorische Behandlung ging. An dieser Anhörung beteiligten sich ca. 60 Unternehmen und Ende 2004 wurden die Eckpunkte für die Regulierung auch festgelegt. Allerdings vertritt die Regulierungsbehörde bis heute (2006) den Ansatz des „evolutionary approach“ und lässt den Markt unter strenger Beobachtung sich erst einmal entwickeln.

Auch die Ausschreibungen hin zu IP-TK-Anlagen (IP PBX) nahmen in diesem Jahr langsam zu, teils durch abgelaufene Wartungsverträge oder Abschreibungszeiträumen.

2005

War 2004 noch etwas die Qualität von VoIP für den Privatmarkt von den Endkunden bemängelt worden (so kam es gelegentlich zu plötzlichen Gesprächsabbrüchen), funktionierte das in diesem Jahr ganz gut. Besonders hervorzuheben ist das Produkt des Jahres 2005 (Zeitschrift connect) für Endkunden mit der FRITZ!Box Fon von AVM, welches DSL-Modem, TK-Anlage und Router (und wahlweise auch WLAN Access Point) integriert. Hierbei kann ganz bequem mit ausgeschaltetem PC telefoniert werden, ja sogar mittels eines angeschlossenen ISDN-Telefons über VoIP. Dieses Produkt setzten die großen Anbieter, wie 1&1 oder STRATO ein. Ende des Jahres vermarktete 1&1 noch seine Telefon-Flat ein Jahr kostenlos, wenn bei einem DSL-Anschluss die Laufzeit von 24 Monaten abgeschlossen wurde und konnte dadurch im Dezember die Zuteilung von einer Million Ortsnetzrufnummern bekannt geben.

Die Zahl der VoIP Anbieter in Deutschland für Reseller und insbesondere Endkunden kann auf über 50 beziffert werden.

2006

Im April dieses Jahres geht ENUM in Deutschland offiziell vom Testbetrieb in den Wirkbetrieb über.
Im gleichen Monat veröffentlicht die Bundesnetzagentur im Hinblick auf die Eckpunkte zur VoIP-Behandlung neue
Zuteilungsregeln für Rufnummern, so dass u.a. auch VoIP-Anbieter, sofern sie den Zugang ins Fernsprechnetz
liefern können, Ortsnetzrufnummern beziehen können.

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